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Die Mär vom leergefegten Markt – Recruiting ist kein Nebenjob

von Kai Adler,

In unregelmäßigen Abständen prüfe ich mithilfe von Mystery Calls, wie gut Ansprechpartner in Stellenanzeigen erreichbar sind und welche Qualität ihre Auskünfte zur angebotenen Position haben. Die Ergebnisse sind in der Regel ernüchternd: Nur rund 30 % erreiche ich direkt, weitere 30 % gar nicht, und von den übrigen Ansprechpartnern können viele keine fundierten Informationen zur Position geben – selbst dann nicht, wenn sie offiziell als Kontaktpersonen benannt wurden.

Das Überraschende daran: Es handelt sich überwiegend um mittelständische Unternehmen mit wenigen offenen Stellen und eigentlich überschaubaren Strukturen. Dennoch fehlen oft grundlegende Informationen zu wichtigen Kennzahlen wie Führungsspanne, Umsatzverantwortung oder Anzahl betreuter Kunden.

Ein ehemaliger Bankvorstand, der heute im Bereich Executive Search tätig ist, bestätigt diesen Eindruck: Viele Unternehmen benötigen Wochen für Rückmeldungen, obwohl das Interesse an den Kandidaten bereits klar signalisiert wurde. Das Problem liege, so seine Erfahrung, selten bei einzelnen Mitarbeitern, sondern vielmehr darin, dass Personalabteilungen oft keine echten strategischen Einheiten sind. Häufig übernehmen sie überwiegend administrative Tätigkeiten, während Recruiting neben zahlreichen anderen Aufgaben zusätzlich erledigt werden muss – was häufig zulasten des Erfolgs geht.

Besonders deutlich wird dies beim Active Sourcing: Wer grundlegende Kenntnisse über die Position, die Zielgruppe und die entsprechenden Tools auf LinkedIn oder XING nicht besitzt, bleibt erfolglos. Schnell entsteht dann die Fehleinschätzung, der Markt sei „leergefegt“. Tatsächlich mangelt es jedoch meist an professionellem Recruiting – und damit verbunden an klarem Fokus, ausreichender Zeit und den nötigen Ressourcen.

Ein konkretes Beispiel verdeutlicht dies: Ein Mitarbeiter, der derzeit 400 Kunden betreut, könnte durchaus Interesse an einer Position mit nur 120 Kunden haben – beispielsweise um intensiver und qualitativ hochwertiger beraten zu können. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Recruiter die Besonderheiten der Stelle genau kennt und dies gezielt in seiner Ansprache aufgreift: „Sie betreuen aktuell über 400 Kunden und wünschen sich zukünftig einen klareren Fokus?“ Solche zielgerichteten Ansprachen gelingen allerdings nur, wenn zuvor die grundlegenden Eckdaten der Position sorgfältig erfasst wurden.

Recruiting braucht mehr als guten Willen – nämlich Zeit, Wissen und die richtigen Werkzeuge. Wer das ernst nimmt, besetzt nicht nur Positionen, sondern gestaltet Zukunft.

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