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Leadership als Megatrend - Alter Wein in neuen Schläuchen?

von Kai Adler,

Man liest heute auf meiner ‚Lieblingsplattform‘ LinkedIn viel davon, wie Führung sich verändert. Von „echtem Leadership“, von „Macht teilen“, von „Empowerment“, vom „Shift von Führung zu Leadership als Megatrend“, vom „Räume schaffen“ und von „Teams befähigen, aus eigener Kraft besser zu werden“. Führung soll nicht mehr stattfinden, „um sichtbar zu sein“, sondern dazu, „andere wachsen zu lassen“. Führung in Zeiten der Digitalisierung wird zudem häufig als besonderes Trendthema hervorgehoben, oft verbunden mit dem Schlagwort „Augenhöhe“. So weit, so relevant – und grundsätzlich richtig. Nur, ist das tatsächlich alles so neu, wie es vielfach dargestellt wird?

Ein Blick zurück hilft, diese Frage zu klären. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde Leadership tatsächlich meist hierarchisch und autoritär verstanden – reine Machtausübung und Kommando prägten den Führungsstil. Bereits in den frühen 1970er-Jahren jedoch gewann ein Ansatz an Bedeutung, der Beziehungen, Interaktionen und Transformation in den Mittelpunkt rückte.

Parallel dazu entstanden bereits um 1960 Begriffe wie Wissensindustrie, Wissensarbeit und Wissensarbeiter. Warum das relevant ist? Weil sich mit dem Aufkommen der Wissensarbeiter – Menschen, deren Tätigkeit eine formale, weiterführende Bildung voraussetzt – das Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit grundsätzlich wandelte. Wissen wurde zur entscheidenden und knappen Ressource, Machtverhältnisse verschoben sich. Schon Peter Drucker schrieb 1965: „In ihrer Gesamtheit sind Wissensarbeiter die neuen Kapitalisten.“

Der Wissensarbeiter verfügt selbst über seine Produktionsmittel und kann somit seine Leistung unabhängig von spezifischen Arbeitgebern erbringen. Zudem unterscheidet sich Wissen grundlegend von anderen Produktionsmitteln, da es weder vererbt noch übertragen werden kann.

Bereits damals beschrieb Drucker, Wissensarbeiter würden sich mindestens „ebenso sehr mit ihrer fachlichen Disziplin identifizieren wie mit der Organisation, bei der sie tätig sind“. In der Folge sahen sich Wissensarbeiter nicht mehr als einfache Untergebene, sondern als qualifizierte Fachkräfte und erwarteten auch, dementsprechend behandelt zu werden.

Daraus ergeben sich laut Drucker „neue Herausforderungen für Führungskräfte“, da Wissensarbeiter „äußerst mobil“ und „schwieriger in Organisationsziele einzubinden“ seien. Drucker stellte damals bereits fest, Wissen sei nicht hierarchisch – es sei entweder relevant oder nicht.

Diese Erkenntnisse führten bereits in den frühen 1970er-Jahren zu einem neuen Verständnis von Führung. In einer Wissensgesellschaft, so Drucker, werde der Wissensarbeiter nicht „unter dem Stachel der Furcht produktiv“. Nur Selbstmotivation und Selbstdirektion könnten dauerhaft produktiv machen.

Mein Fazit: Was wir heute alles so lesen von neuem und „echtem Leadership“, ist in Wahrheit doch gar nicht so neu. Vielleicht sollten wir uns daher weniger mit vermeintlich neuen Konzepten beschäftigen, sondern vielmehr darauf konzentrieren, diese zeitlosen Prinzipien des wirksamen Führens – Mitarbeiter in die Lage zu versetzen, durch gemeinsame Werte, die richtige Struktur und die richtige Anleitung in der Bewältigung von Veränderung gemeinsam Leistung zu erbringen – konsequent und glaubwürdig in die Praxis umzusetzen. Wirklich relevant ist nicht, was angeblich neu ist, sondern was tatsächlich wirkt.

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